Augmented Reality, virtuelle Realität oder erweiterte Realität, die Alltäglichkeit von Cryptowährungen und NFTs - das Metaverse und die Frage danach, wie wir virtuellen Raum in Zukunft nutzen werden, wird derzeit nicht nur in Tech-Konzernen und unter digitalen Vordenkern heiß diskutiert, sondern auch im Hinblick auf Wirtschaft, Politik, Recht und Ethik hält eine Online-Welt spannende Fragestellungen bereit - die übrigens bereits seit 2006 unter dem Metaverse Roadmap Project erörtert werden:
"What happens when video games meet Web 2.0? When virtual worlds meet geospatial maps of the planet meet pervasive web video? When simulations get real and life and business go virtual? When you use a virtual Earth to navigate the physical Earth, the internet swallows the television, and your avatar becomes your online agent? What happens is the metaverse."
In seinem Vortrag "Approaching the Metaverse for Businesses and Brands" zeigt Dirk Songür, Specialist bei Microsoft, ein Modell aus dem Metaverse Roadmap Paper, das Ansätze, digitalen Raum zu schaffen und zu nutzen, in vier Quadranten unterteilt werden können:
- Augmented Realities, wie wir sie z.B von Pokemon Go oder auch von Yelp kennen und nutzen
- Mirror Worlds, die durch Google Earth oder Uber bereits zum Alltag gehören
- Lifelogging, das nicht nur Facebook, Snapchat und Co umfasst, sondern auch Portale am digitalen Abeitsplatz
- Virtual Worlds, in denen wir uns in Form von Fortnite, Minecraft oder auch AltspaceVR bereits bewegen
Quelle: Vortrag "Approaching the Metaverse for Businesses and Brands", Dirk Songür, Enter the Metaverse Conference 2021
Was davon ist also das Metaverse? Wahrscheinlich - und das wird die Zukunft zeigen, eine Kombination aus den Möglichkeiten, die wir bereits haben und neuen Entwicklungen und Herausforderungen im technischen, sozialen und ökologischen Bereich, die noch vor uns liegen.
Wohin geht die Reise? Das sagen unsere ExpertInnen:
Metaverse - was bedeutet das eigentlich?
Wann und warum hast du dich erstmalig mit der Thematik beschäftigt?
Wird das Metaverse langfristig zur neuen Normalität, oder handelt es sich um einen momentanen Trend?
Welche Anwendungsfälle für das Metaverse siehst du?
Welche Herausforderungen bergen aktuelle Entwicklungen und Investitionen in Richtung Metaverse?
Das Metaverse in den News und im Social Web
Selbstversuch: 3 Tage im Metaverse leben
Metaverse - was bedeutet das eigentlich?
Um herauszufinden, wohin die Reise gehen kann, haben wir Malte Landwehr, Head of SEO bei idealo; Thomas Johann Lorenz, Gründer von Journee - the metaverse company; Benedikt Faupel, Referent Blockchain beim Digitalverband Bitkom; Zuzana Bastian, Gründerin von Jevels; den Kommunikationsexperten Christof Schmid und Ben Harmanus, International Brand Strategy Lead bei Hubspot gefragt, wie sie den Begriff Metaverse definieren, welche Anwendungsmöglichkeiten sich für Unternehmen und Privatpersonen abzeichnen und vor welche Herausforderungen aktuelle Entwicklungen und Investitionen und stellen.
Malte Landwehr
"Für mich beschreibt das Metaverse eine Zeit, in der virtuelle Güter den gleichen Wert wie physische Güter haben; und den gleichen Status bringen. Es ging mit Fortnite Skins los und aktuell sind es Kunst-NFTs. Alles andere (virtuelle Jobs und virtuelle Grundstücke in virtuellen Welten) sind eine logische Konsequenz dieser Entwicklung."
Thomas Johann Lorenz
"Metaverse bedeutet die nächste Iteration des Internets."
Benedikt Faupel
"Die Verbindung aller virtueller Welten in ein nahtlos interagierendes Metaverse."
Zuzana Bastian
"Das Metaverse ist ein virtueller Raum in dem alles möglich ist - Ort für grenzenlose Kreativität, Selbstverwirklichung und auch zwischenmenschliche / zwischenavatarische Beziehungen und Co-Creation."
Christof Schmid
"Das Metaverse ist für mich das Verschmelzen von unterschiedlichen virtuellen 3D-Welten zu einem digitalen Universum in dem wir interaktiv und plattformübergreifend aktiv sein können."
Ben Harmanus
"Das Metaverse ist die Summe aller virtuellen Begegnungen."
Wann und warum hast du dich erstmalig mit der Thematik beschäftigt?
Malte Landwehr
"Ende 2020 habe ich angefangen, mich mit Crypto zu beschäftigen und Anfang 2021 bin ich diesem Rahmen auf den Metaverse-Trend gestoßen."
Thomas Johann Lorenz
"Als die Pandemie im März 2020 uns alle in den Lockdown gezwungen hat -- und wir uns fragten: Wie schaffen wir es, dass Menschen bessere interaktive Erlebnisse auf ihren Devices haben können?"
Benedikt Faupel
"Beim Austesten von Second Life und der damit verbundenen Diskussion über alternative Realitäten."
Zuzana Bastian
"Ende 2020, da ich damals angefangen habe mich mit Digital Fashion und deren Anwendungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen."
Christof Schmid
"Ich habe die Idee eines Metaverse zum ersten Mal zu Zeiten von Second Life kennengelernt und ausprobiert. Schon damals war die Faszination dieser Idee sehr groß, allerdings waren die technischen Möglichkeiten noch sehr begrenzt."
Ben Harmanus
"Ich befasse mich seit 2017 mit der Blockchain. Anfang 2021 habe ich mir NFTs näher angesehen. Um zu erkennen hinter welchen NFT-Projekten tatsächlich ein spannender Anwendungsfall steckt, habe ich mir Projekte mit Coins angesehen, die bereits, gemessen am Market Cap, sehr wertvoll sind. Ich wollte verstehen, ob hier nur ein Hype um die Coins und kurzfristige Gewinne stattfindet. Was mir ins Auge stach, waren die bereits bestehenden Kollaboration mit namhaften Marken. Also habe ich mir ein paar der Kryptowährungen ins Portfolio gelegt und die Projekte beobachtet."
Wird das Metaverse langfristig zur neuen Normalität, oder handelt es sich um einen momentanen Trend?
Malte Landwehr
"Gewisse Aspekte des Metaverse (virtuelle Güter mit realem Wert, Dezentralisierung von Ownership, Monetarisierung und Pseudoanonymität) werden Teil der neuen Realität. Dass wir in Zukunft alles in VR-Welten erleben werden, glaube ich nicht."
Thomas Johann Lorenz
"Das Metaverse wird den digitalen Teil unseres Lebens grundlegend verändern."
Benedikt Faupel
"Es wird sicher nicht für alle zur "Normalität" aber Menschen, die heute schon Zeit in virtuellen Realitäten verbringen, werden sich im Metaverse schnell zurechtfinden."
Zuzana Bastian
"Das Metaverse wird sich langfristig zu einer Ergänzung unserer physischen Welt entwickeln."
Christof Schmid
"Das Metaverse ist für mich mehr, als nur ein Trend. Es ist für mich eine faszinierende Idee aus der sich ein komplett neuer Anwendungsbereich entwickeln kann, der uns neue Nutzungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt. Es wird damit unsere Normalität erweitern."
Ben Harmanus
"Ich denke, dass wir noch ein gutes Stück von der “Ready Player One”-Realität entfernt sind. Dennoch haben wir in der Vergangenheit gesehen, dass neue Technologien und Trends zuerst kurzfristig überschätzt, aber langfristig unterschätzt werden. Alle Plattformen, die derzeit an ihrem Teil des Metaverse bauen, bieten vorerst nicht etwas, das sich grundlegend von virtuellen Welten wie Second Life oder World of Warcraft offensichtlich unterscheiden - und diese Welten sind mehrere Dekaden alt.
Das Metaverse wird nicht unbedingt die neue Normalität, aber sie wird alle Lebensbereiche durchdringen und verändern, ob beruflich oder privat."
Welche Anwendungsfälle für das Metaverse siehst du?
Malte Landwehr
"NFT-Kollektionen für Modemarken sind ein Nobrainer. Adidas mit der BAYC-Kollaboration und Nike mit der RTFKT-Übernahme laufen hier aktuell der Konkurrenz davon."
Thomas Johann Lorenz
""Das Metaverse" ist wie "das Internet" - es bietet unendliche Möglichkeiten für Unternehmen aus allen Industrien und unsere private Kommunikation."
Benedikt Faupel
"Unternehmen können informellen Austausch ihrer Mitarbeitenden auf ganz neuen Wegen fördern. Für Privatpersonen wird die Gaming Industrie sicher ein starker Treiber der nächsten Jahre sein."
Zuzana Bastian
"Menschen können einander im Metaverse treffen egal wie weit sie physisch voneinander entfernt sind - das bedeutet für Brands dass sie für die virtuellen Zwillinge digitale Kleidung und Accessoires, aber Autos, Arbeits- und Wohnräume etc schaffen können. Dies ermöglicht sehr viel Kreativität in Produktdesign und Marketing."
Christof Schmid
"Das Metaverse wird eine eigenständige, digitale Realität kreieren, in die wir uns zu verschiedenen Zwecken begeben und viele neue Möglichkeiten nutzen können. Privatpersonen werden so auf einer neuen Ebene miteinander in Kontakt treten, interagieren und kommunizieren können. Dies wird die Zusammenarbeit von Menschen in Unternehmen bzgl Interaktivität und Dynamik wesentlich beeinflussen. Gleichzeitig können Brands ihre Kunden in dieser Umgebung auf völlig neue Weise erreichen und mit ihnen kommunizieren. Jegliche Marketingkommunikation, die in unserer Realität zur Verfügung steht, kann damit auch in das Metaverse übertragen und erweitert werden.
Ben Harmanus
"Ich finde es spannend, dass blockchain-basierte Games bzw. Welten es Usern ermöglichen, Gegenstände und virtuelles Geld zu erhalten, die sie aus der Spielewelt heraustragen können. Wenn ich im Spiel ein antikes Schwert erhalte, das als NFT im Spiel eingebunden wurde, kann ich es über eine externe Plattform wie OpenSea verkaufen, oder jemand anderem von Wallet zu Wallet schicken.
Auch die verdienten Coins lassen sich an Kryptobörsen in Fiatgeld wie Euro umtauschen - oder in andere Kryptowährungen. Zudem können User Gegenstände und sogar ganze Bereiche im Metaverse erschaffen. Bereits jetzt bauen Menschen auf der ganzen Welt Autos, Avatare, Kleidungsstücke oder Einrichtungsstücke, die andere kaufen.
Es entsteht also eine völlig neue Creator- und Influencer-Economy, die weit über für Social Media produzierte Videos hinausgeht. Hier müssen sich dann auch Unternehmen und Marken Gedanken machen, wie sie an diesem Trend partizipieren. Ansonsten entsteht mit dem Metaverse eine Parallelwelt, in der die eigene Marke nicht vorkommt - andere Marken aber schon. Unternehmen können natürlich 1:1 ihre Stores in die virtuelle Welt übertragen. Spannender wäre es aber wahrscheinlich, wenn man sich tatsächlich damit beschäftigt, was User am Metaverse begeistert und Experiences schafft, die auf die Plattform mit ihren Möglichkeiten authentisch zugeschnitten sind. Im B2B-Kontext sind virtuelle Meetings interessant. Hier wird wahrscheinlich noch mehr Zeit vergehen, bis VR in den Unternehmen als Kollaborations-Tool Einzug hält."
Mehr von Ben Harmanus zum Thema Metaverse hört ihr übrigens auch in einer aktuellen Folge des Podcast "The Digital Helpdesk".
Welche Herausforderungen bergen aktuelle Entwicklungen und Investitionen in Richtung Metaverse?
Malte Landwehr
"Ich denke Filme und Serien wie Black Mirror, Ready Player One, Surrogates oder Matrix zeigen ganz gut wo es hingehen kann – soziale Isolation, Flucht in eine virtuelle Welt und Verfall des eigenen Körpers während man 24/7 in der virtuellen Welt abhängt."
Benedikt Faupel
"Es wird zu sehen sein, ob das Metaverse als neuer Aspekt in das System der großen Internetkonzerne eingegliedert wird oder sich ein neues Ökosystem auf Basis der Blockchain und Web3-Ideen entwickelt."
Zuzana Bastian
"Interoperabilität der virtuellen Welten und Regulierung zum Schutz der Personen und deren Daten."
Christof Schmid
"Ich finde es wichtig, dass die Interoperabilität in einem Metaverse gegeben ist und man sich plattfom- und andwendungsübergreifend darin bewegen kann. Dies mit der Idee des offenen Internets, das für alle gleichermaßen zugänglich ist, gemeinsam zu gestalten, wird eine große Herausforderung."
Ben Harmanus
"Das Metaverse ist die Summe der vielen virtuellen Spaces, die existieren und entstehen. Wie bei Social-Media-Plattformen ist die Frage, welches wird sich durchsetzen? Wo erreicht man die Zielgruppe am besten? Ich rate dazu, dass man früh einsteigt. Sich jetzt mit der Blockchain, Wallets, Kryptowährungen, NFTs, dem Metaverse und Anwendungsfällen hands-on beschäftigt. Nur so versteht man wirklich, wofür es genutzt werden kann - und wo immer noch Hürden liegen. Denn der Einstieg ist für nicht technisch versierte Menschen schwer. Bei einem dezentralen System fehlt eben oft auch eine Instanz, die dich unterstützt.
Technisch gesehen ist es der wilde Westen, auch wenn sich die Usability rasant verbessert. Diese Hürden sorgen dafür, dass das Metaverse bisher meiner Erfahrung nach auch eher von Männern entwickelt und vorangetrieben wird. Damit werden viele Probleme der realen Welt - und von Social Media - auch ins Metaverse übertragen. Es wird wichtig sein, dass sich schnellstmöglich ein diverser Teil der Gesellschaft mit dem Metaverse beschäftigt, investiert und dieses formt, damit wir einen möglichst sicheren Ort schaffen, in dem Diskriminierung, Sexismus usw. nicht ausufern. Zudem ist es wichtig, dass die finanziellen Einstiegshürden für User nicht zu hoch werden. Investiert man in ein Metaverse, das nur mit einem High-end-PC und VR-Brille funktioniert, dann wird man kurzfristig keinen Sog entwickeln. Hier ist es sinnvoll, jetzt das Metaverse 1.0 oder 2.0 zu investieren."
Das Metaverse in den News und im Social Web
Ein Überblick über die Entwicklung der Konversationen und Beiträge zum Thema Metaverse macht deutlich: Das Interesse steigt - vor allem seit dem Rebranding von Facebook zu Meta deutlich an und das über alle Kanäle hinweg.
Worum geht es also in diesen Beiträgen und Gesprächen? Neben der Debatte um Facebook bzw. Meta als Unternehmen, steht vor allem die Games-Branche im Fokus, sowie die Blockchain-Technologie und der Einfluss aktueller Entwicklungen auf Cryptowährungen.
Selbstversuch: 3 Tage im Metaverse leben
Zu guter Letzt haben wir noch eine sehr spannende Reportage für euch:
Reporter Max begibt sich für drei Tage in Isolation und lebt im Metaverse. Er kommuniziert nur noch virtuell über die VR Brille in 3D-Welten von Facebook und Microsoft. Mit Hilfe von seinem Avatar trifft er andere Menschen, geht in eine Bar und macht Sport. Im Film trifft Max mehrere Menschen, die viel Zeit im Metaverse verbringen und führt zudem ein Interview mit Laura-Maria Altendorfer (Psychologin und Professorin für digitale Kommunikation): Welche Folgen könnte ein Leben im Metaverse haben? Wie geht es Max selbst dabei?